Ackerpause: Gärtnern in der Senioreneinrichtung
Dieses Jahr bin ich Ackercoach in einer Senioreneinrichtung. Was das ist?
- Ackerpause
- Einsäen mit Sand als Kontrasthilfe
- Kohlrabi-Party-Beet
Ich baue im SeniorenWohnen Kieferngarten in München mit den Seniorinnen und Senioren und dem Pflege- bzw. Betreuungspersonal Gemüse an. Im 14-tägigen Abstand motiviere ich die Seniorinnen und Senioren und die Angestellten, am Hochbeet zu säen, zu pflanzen und zu ernten. Denn
- Gärtnern ist eine sinnvolle Beschäftigung und weckt Erinnerungen
- Gärtnern fördert die Wahrnehmung
- Gärtnern an der frischen Luft stärkt uns und beruhigt uns
- Und zusammen Gärtnern macht einfach Freude
Die Idee „Pflegeacker“ ist von AckerCompany GmbH. Sie hat ein Präventionsangebot nach § 20b SGB V und § 5 SGB XI für Pflegepersonal und pflegebedürftigen Menschen entwickelt, um mehr Abwechslung und Teilhabe im Pflegealltag zu bringen. Es geht um gesunde Ernährung, um körperliche Aktivität, um kognitive Ressourcen zu nutzen und um die psychosoziale Gesundheit. Schon alleine das Zusammenkommen und sich in Gesellschaft zusammen zu beschäftigen, an Hochbeeten, das ist ein Gewinn im Alter. Und so sieht das aus:
- Hochbeete
- Thema Ringelblume
- Topfen
- Haselzweige entlauben
- Erbsenpalier bauen
- Ernährungsworkshop
- Ernte einfahren
- Kräuter schneiden
- Tomaten im Hochbeet
Dazwischen, wenn das Wetter nicht so gut ist oder unsere Pflege an den Hochbeeten nicht gebraucht wird, pflanzen wir uns eine Ringelblume für den Balkon ein. Über die Ringelblume kann ich Einiges erzählen, z.B. dass man Calendula-Gärtner-Handcreme daraus machen kann. Aus der selbstgemachten Handcreme bedienen sich alle eifrig und cremen sich als Abschluss damit die gestressten Gärtnerhände ein. Manchmal singen wir zum Schluss ein Lied, passend zur Jahreszeit. Musik geht eigentlich immer.
Vor zwei Wochen schüttelten wir im Ernährungs-Workshop (auch ein fester Bestandteil des Programms) zusammen mit einer Ernährungsexpertin Sahne zu Butter und aßen die selbst gefertigte Kräuterbutter auf Broten. Dazu tranken wir selbstgemachte Kräuterlimo.
Es ist ein Dreijahresprogramm. Wir befinden uns gerade in der Mitte des ersten Jahres – und doch haben wir schon viel geschafft. Zunächst haben wir 6 Hochbeete aufgestellt und gefüllt, dann haben wir Radieschen, Erbsen und einiges andere eingesät, Salate, Palmkohl, Gurken, Tomaten, Paprika und viele verschiedene Kräuter gepflanzt.
Heute ist Ackersprechstunde. Und: Erntezeit. Zusammen mit einigen Senioren und ausgestattet mit Körben und Messern gehen wir zu den Hochbeeten im Garten. Rabenschwarze Tomaten aus dem Hochbeet blitzen uns an – sie sind leider unten noch grün. Frau H. zeigt aufgeregt darauf. „Wollen Sie uns vergiften?“ fragt mich Frau H. Ich muss lachen, „aber Frau H., das denken sie doch nicht wirklich. Aber ich verstehe, was Sie meinen, die sehen echt besonders gruselig aus.“ „Ja, oder?“ Sie fühlt sich bestätigt. Natürlich kennt man von früher diese Sorten von schwarzen Tomaten nicht. Aber dennoch haben wir ihr eine Reaktion entlockt, sie erreicht. Die Seniorinnen und Senioren kennen auch eigentlich keine Hochbeete. Aber es ist eben eine Möglichkeit, mit 70+ noch gärtnern zu können, ergonomisch sozusagen. Wir ernten also Rauke, jede Menge Pflücksalat, Kräuter und -Achtung- zwei kleine Johannisbeer-Tomaten und ein Radieschen (es ist der Beginn der Tomatenernte und das Ende der Radieschenernte). Die Tomaten und das Radieschen würden in der riesigen Salatschüssel verloren gehen. Welche drei Personen also bekommen sie? Wer hat als Nächstes im Juli Geburtstag? Aha, der Praktikant hat im Juli Geburtstag. Es gibt Protest, weil immer die Sommerkinder etwas bekommen. Einverstanden. Wer hat im November, wer im Dezember Geburtstag? Frau K. und Frau B. freuen sich und essen die Tomaten mit übertriebener Freude, um die anderen neidisch zu machen. Wir lachen viel dabei. Und darum geht es. Es soll in erster Linie Freude machen.
Die Samenstände der Radieschen, die schon geblüht haben, kann man als Topping auf den Salat geben, das steht in der Ackerfibel (und ist auch für mich neu). Die Ackerfibel ist das schlaue Buch, das ich als Ackercoach zu Beginn bekomme und das auch die Einrichtung bekommt. Auch das Radieschen-Grün kann man mit in den Salat geben. Ich habe außerdem zwei Gurken und ein paar Blüten aus meinem Garten beigesteuert: Ringelblumen, Johanniskraut, Radieschenblüten und Blüten von Schnittlauch und Dost. Wir machen ein Ratespiel, welcher Pflanzenname auf dem Zettel zu welcher Blüte passt. Ist wohl zu schwer, kaum einer errät die Blüten. Und überhaupt, was ist Dost? Den wilden Majoran (Origanum vulgare) kennt kaum jemand. Nicht zu verwechseln mit dem echten Majoran (Origanum majorana). Aber das führt jetzt zu weit.
Endlich wollen wir den Salat zubereiten und verspeisen. Wir machen zusammen ein feines Dressing mit Apfelessig, Olivenöl, Senf, Honig Joghurt, Pfeffer und Salz, dazu kommen die geschnittenen Kräuter und ein fein geschnittener Apfel. Es schmeckt allen Bewohnern – einige sagen sogar „besser als das Essen vom Haus.“